Warum Natursteinfassaden besonders sorgfältig behandelt werden müssen
Wenn du eine Hausfassade aus Naturstein hast, dann besitzt du mehr als nur eine Wand. Du hast ein historisches Element, das Jahrzehnte, oft Jahrhunderte, Wetter, Kälte und Schmutz überstanden hat. Doch genau diese Langlebigkeit macht sie auch empfindlich - besonders wenn sie falsch behandelt wird. Viele Hausbesitzer denken, dass ein Hochdruckreiniger oder ein billiger Steinreiniger aus dem Baumarkt ausreicht. Das ist ein fataler Fehler. In den 1960er Jahren wurden Sandstrahlverfahren noch als Standard angesehen. Heute wissen wir: Diese Methode frisst die Oberfläche des Steins weg, macht ihn poröser und beschleunigt den Verfall. Die Folge? Feuchtigkeit dringt tiefer ein, Frost spaltet den Stein, und nach wenigen Jahren sieht die Fassade aus wie ein altes, verwittertes Grabstein.
Die gute Nachricht: Mit den richtigen Methoden kannst du deine Natursteinfassade nicht nur retten, sondern sie sogar länger halten als bei einer Neubefestigung. Laut dem BIV-Jahresbericht 2022 kostet eine professionelle Sanierung im Durchschnitt 40 bis 60 Prozent weniger als ein kompletter Austausch. Und das bei gleichzeitiger Erhaltung des historischen Wertes - ein entscheidender Vorteil, besonders bei denkmalgeschützten Gebäuden.
Welcher Stein ist das? Die Materialanalyse ist der erste Schritt
Nicht alle Natursteine sind gleich. Sandstein, Kalkstein, Granit, Travertin, Marmor - jeder hat seine eigene Chemie, seine eigene Porosität, seine eigene Anfälligkeit. Ein Kalkstein reagiert auf Säuren mit Aufschäumen und Verwitterung. Ein Granit hingegen ist widerstandsfähiger, aber empfindlich gegenüber mechanischem Stress. Wenn du nicht weißt, welcher Stein vor dir liegt, dann kannst du keine richtige Pflege durchführen.
Ein einfacher Test: Tropfe etwas Zitronensaft oder Essig auf eine unscheinbare Stelle. Wenn sich die Oberfläche aufbläht oder sich ein weißer Belag bildet, dann ist es ein kalkhaltiger Stein - und du darfst niemals säurehaltige Reiniger verwenden. Bei Granit oder Quarzit bleibt die Oberfläche unverändert. Diese Unterscheidung ist entscheidend. Laut Prof. Dr. Markus Richter von der TU Dresden enthalten über 65 Prozent der im Handel erhältlichen Steinreiniger Komponenten, die bei Kalk- und Sandsteinen langfristig Schäden verursachen.
Wenn du unsicher bist, hol dir einen Sachverständigen. Viele Steinmetzbetriebe bieten eine kostenlose Materialanalyse an. Sie nehmen eine kleine Probe, analysieren sie mit einem Portabel-Röntgen-Fluoreszenz-Gerät und sagen dir genau, welcher Stein es ist und wie du ihn behandeln musst.
Die richtige Reinigung: Kein Hochdruck, kein Sandstrahlen
Die größte Gefahr für deine Fassade kommt von zu hohem Druck oder falschen Chemikalien. Die europäische Norm DIN EN 16036:2019 legt klar fest: Der maximale Reinigungsdruck bei Natursteinfassaden beträgt 120 bar. Doch selbst das ist oft zu viel. Experten empfehlen für die meisten Anwendungen 80 bis 100 bar - und nur bei hartnäckigem Schmutz.
Sandstrahlen ist in Deutschland seit Jahren bei denkmalgeschützten Gebäuden verboten - und das aus gutem Grund. Eine Studie der TU München (2020) zeigte: Bei unsachgemäßer Reinigung mit zu hohem Druck oder aggressiven Chemikalien steigt die Porosität des Steins bei 92 Prozent der behandelten Flächen an. Das bedeutet: Der Stein saugt mehr Wasser auf, friert schneller ein, und Risse entstehen.
Was funktioniert stattdessen?
- Handreinigung mit Wurzelbürste: Ideal für Sandstein und Kalkstein. Mit klarem Wasser und gegebenenfalls etwas Schmierseife lässt sich der Schmutz vorsichtig abschrubben.
- Mechanische Reinigung mit Drehbürste: Für größere Flächen, bei niedrigem Druck (unter 100 bar), mit Wasser als Kühlmittel.
- Staubbindendes Wischen: Für polierte Flächen wie Marmor oder Granit - ohne Wasser, nur mit einem weichen Tuch.
Vermeide auf keinen Fall:
- Säurehaltige Reiniger bei Kalkstein, Sandstein, Travertin oder Terrazzo
- Haushaltsreiniger mit Ammoniak oder Chlor
- Unbekannte Produkte aus dem Baumarkt - besonders wenn sie „für alle Steine“ werben
Die Firma Stroehmann empfiehlt für Sandstein: „Nur Wasser und eine Wurzelbürste.“ Das klingt einfach - und es ist genau das Richtige.
Fugen reparieren: Nicht mit Zement, sondern mit Kalkmörtel
Wenn die Fugen zwischen den Steinen bröckeln, ist das kein geringes Problem. Es ist das Herzstück der Fassadenintegrität. Viele Handwerker greifen automatisch zu Zementmörtel - weil er schnell trocknet und stark ist. Aber Zement ist steinhart, und er dehnt sich nicht mit dem Stein mit. Das führt zu Rissen, Ablösungen und Feuchtigkeitseintritt.
Die Lösung: Kalkmörtel. Er ist weicher, poröser und atmet. Er passt sich den Bewegungen des Natursteins an, ohne ihn zu beschädigen. Er ist auch chemisch kompatibel mit historischen Mauern. Die DIN 18557-1 legt fest, dass bei der Sanierung von Natursteinfassaden nur kalkbasierte Fugmassen verwendet werden dürfen.
Die Reparatur läuft so ab:
- Die alten, losen Fugen werden mit einem Handmeißel oder einer Drehbürste vorsichtig herausgenommen - nicht mit einem Bohrer!
- Die Fuge wird mit Wasser angefeuchtet, damit der neue Mörtel nicht zu schnell austrocknet.
- Der Kalkmörtel wird mit einem Fugengummi eingebracht - gleichmäßig, ohne Luftblasen.
- Er wird mit einem feuchten Schwamm abgezogen, um die ursprüngliche Struktur der Fuge nachzuahmen.
- Die Fuge muss 7-10 Tage lang feucht gehalten werden, damit sie richtig aushärtet.
Die Farbe des Mörtels sollte dem Stein so nah wie möglich sein. Hier helfen spezielle Farbtonkarten von Herstellern wie AKEMI. Sie ermöglichen es, die Fuge exakt an den ursprünglichen Stein anzupassen - optisch unsichtbar.
Hydrophobierung: Der unsichtbare Schutzschild
Nach der Reinigung und Fugensanierung kommt der entscheidende Schritt: die Hydrophobierung. Das ist keine Versiegelung - das wäre ein Fehler. Eine Versiegelung bildet eine Kunststoffhaut, die das Wasser nicht mehr entweichen lässt. Das führt zu Feuchtigkeitsschäden von innen.
Hydrophobierung hingegen macht den Stein wasserabweisend, ohne ihn abzudichten. Die Wassertropfen perlen ab - wie auf einem Regenmantel. Aber die Poren bleiben offen. Das bedeutet: Feuchtigkeit kann verdunsten, Frost kann nicht entstehen, und der Stein atmet weiter.
Die besten Produkte sind silikonharzbasierte oder silanbasierte Imprägnierungen. Sie dringen bis zu 10 mm tief in den Stein ein und bleiben dort jahrelang wirksam. Ein Beispiel: Das Produkt „König Hydrophob SF“ hat in Praxistests über fünf Jahre hinweg bei Granitfassaden keinerlei Veränderung gezeigt - trotz extremer Witterung.
Wichtig: Die Hydrophobierung darf nur auf komplett trockenen Stein aufgetragen werden. Wenn der Stein noch Feuchtigkeit enthält, wird das Mittel nicht wirken. Ideal ist eine Lufttemperatur zwischen 5 und 25 Grad Celsius. Die Anwendung erfolgt mit einer Sprühflasche oder einem Pinsel - gleichmäßig, ohne Tropfen. Nach 24 Stunden ist die Behandlung abgeschlossen.
Wann lohnt sich die Sanierung? Kosten, Zeitaufwand und Nachhaltigkeit
Wie viel Zeit und Geld braucht eine Natursteinfassaden-Sanierung? Für eine durchschnittliche Einfamilienhausfassade von etwa 120 Quadratmetern rechnest du mit 3 bis 5 Arbeitstagen. Die Kosten liegen zwischen 50 und 90 Euro pro Quadratmeter - je nach Schadensgrad, Steinart und Region. Das klingt viel, aber im Vergleich zum Austausch - der bei 150 bis 200 Euro pro Quadratmeter liegt - ist es eine enorme Einsparung.
Und dann ist da noch die Nachhaltigkeit. Die Studie „Nachhaltiges Bauen 2023“ vom ifo Institut zeigt: 73 Prozent der Bauherren entscheiden sich heute bewusst für Sanierung statt Neubau - aus ökologischen Gründen. Ein Stein, der 100 Jahre alt ist, hat schon viel Energie gebunden. Wenn du ihn ersetzt, musst du neuen Stein abbauen, transportieren, bearbeiten, verlegen. Das verursacht CO₂. Die Sanierung dagegen spart bis zu 80 Prozent der CO₂-Emissionen.
Die Zukunft der Natursteinpflege geht in Richtung Biobasiertes. Unternehmen wie Moeller Stone Care haben bereits pH-neutrale Reiniger entwickelt, die aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt werden. Bis 2027 sollen erste biobasierte Hydrophobierungen auf den Markt kommen - ohne Silikone, ohne Chemie, aber mit gleicher Wirkung.
Was du selbst tun kannst - und was du lieber einem Profi überlässt
Du kannst deine Natursteinfassade selbst pflegen - aber nur im Rahmen der Unterhaltsreinigung. Das bedeutet:
- Einmal jährlich mit klarem Wasser und Wurzelbürste den Schmutz abreiben
- Im Frühjahr und Herbst die Fugen auf Löcher oder Risse prüfen
- Im Winter keine Streusalze auf die Fassade streuen - sie greifen Kalkstein an
- Immer nach Regen prüfen, ob Wasser abläuft - oder sich in Fugen sammelt
Was du nicht selbst machen solltest:
- Hochdruckreiniger mit mehr als 100 bar verwenden
- Fugen mit Zementmörtel reparieren
- Reiniger aus dem Baumarkt verwenden, ohne die Inhaltsstoffe zu prüfen
- Die Hydrophobierung ohne Trockenprüfung auftragen
Wenn du Verfärbungen, Ablösungen, Risse oder feuchte Stellen an der Fassade siehst - ruf einen zertifizierten Natursteinrestaurator. Die Schulung dafür dauert mindestens 18 Monate. Nur wer diese Ausbildung absolviert hat, kennt die Materialien, die Normen und die richtigen Werkzeuge.
Was passiert, wenn du nichts tust?
Ein Naturstein, der nicht gepflegt wird, verändert sich langsam - aber unaufhaltsam. Zuerst wird er dunkler, dann entstehen weiße Salzausblühungen. Danach bröckeln die Kanten, die Fugen lösen sich, und nach 10 bis 15 Jahren sind erste Steine so geschwächt, dass sie herausfallen. Dann wird die Fassade unsicher. Und dann? Dann musst du alles abreißen - und neu verlegen. Das ist nicht nur teuer. Es ist auch ein Verlust: der Verlust von Geschichte, von Charakter, von Wert.
Die Natursteinfassade ist kein Verschleißteil. Sie ist ein Teil deines Hauses, der mit dir wächst. Wenn du sie richtig pflegst, hält sie 200 Jahre - oder länger. Das ist kein Versprechen. Das ist die Realität, die uns die Denkmalpflege lehrt.