Eigenbedarf anmelden: So funktioniert die rechtliche Kündigung bei vermieteten Immobilien

Ein Vermieter will seine eigene Wohnung zurückhaben - weil er selbst einziehen will, weil seine Tochter nach dem Abitur keinen Platz mehr hat oder weil seine Mutter pflegebedürftig wird. Klingt logisch. Aber in Deutschland ist das nicht einfach möglich. Wer eine Eigenbedarfskündigung aussprechen will, muss mehr als nur eine gute Absicht haben. Es geht um klare Regeln, strenge Nachweise und eine Rechtsprechung, die immer strenger wird. Seit 2022 haben Gerichte die Hürden für Vermieter deutlich erhöht. Viele Kündigungen scheitern deshalb vor Gericht - nicht weil der Mieter unverschuldet leidet, sondern weil der Vermieter die Formalien nicht eingehalten hat.

Wer darf überhaupt einen Eigenbedarf anmelden?

Nicht jeder Vermieter kann eine Eigenbedarfskündigung aussprechen. Nur natürliche Personen - also Einzelpersonen - haben dieses Recht. Wohnungsgesellschaften, GmbHs, Vereine oder Genossenschaften dürfen das nicht. Das steht klar im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), Paragraph 573 Abs. 2 Nr. 2. Der Grund ist einfach: Der Gesetzgeber will den privaten Immobilienbesitzer schützen, nicht Unternehmen, die mit Mietwohnungen Gewinn machen. Wer eine Immobilie als Kapitalanlage kauft und vermietet, kann nicht einfach sagen: „Ich brauche sie jetzt für mich.“ Das ist kein Eigenbedarf - das ist eine Kündigung aus wirtschaftlichem Interesse. Und das ist verboten.

Wann entsteht ein gültiger Eigenbedarf?

Ein Eigenbedarf darf nicht schon beim Abschluss des Mietvertrags bestehen. Wenn du deine Wohnung vermietest und weißt: „In zwei Jahren ziehe ich da wieder ein“, musst du das dem Mieter sagen. Sonst verlierst du das Recht zur Kündigung. Das ist kein Trick, sondern eine klare Regel. Wer das ignoriert, riskiert eine rechtliche Niederlage. Auch bei umgewandelten Wohnungen - also wenn du eine Immobilie kaufst, die schon vermietet ist - gibt es eine Sperrfrist. Laut BGB darfst du in den ersten drei Jahren nach Kauf keine Eigenbedarfskündigung aussprechen. Diese Frist soll verhindern, dass Investoren Wohnungen nur kurz kaufen, Mieter rauswerfen und dann selbst einziehen. Ein Fall aus Hamburg zeigt, wie streng das ist: Ein Käufer kaufte eine Wohnung, die seit fünf Jahren vermietet war. Er wollte sie für seine Tochter nutzen. Er kündigte nach acht Monaten. Das Gericht sagte: Nein. Die Sperrfrist gilt auch dann, wenn der Käufer den Mieter nicht selbst verpflichtet hat. Die Regelung schützt den Mieter - nicht den neuen Eigentümer.

Wer darf in die Wohnung ziehen?

Der Eigenbedarf muss sich auf dich selbst, deine Familie oder Haushaltsangehörige beziehen. Das klingt einfach - aber in der Praxis ist es kompliziert. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt: Es reicht nicht, dass jemand „irgendwie“ mit dir verwandt ist. Du musst nachweisen, dass es sich um einen echten, lebensnahen Bedarf handelt. Dazu gehören:

  • Direkte Familienmitglieder: Ehepartner, Kinder, Eltern, Enkel
  • Lebenspartner (auch ohne Ehe, wenn eine gemeinsame Lebensgemeinschaft nachweisbar ist)
  • Haushaltsangehörige: Pflegekräfte, Haushaltshilfen, die dauerhaft bei dir wohnen

Was nicht geht: Onkel, Tanten, Freunde, Bekannte oder Ex-Partner, die keinen echten familiären oder haushaltsnahen Zusammenhang haben. Ein Fall aus Berlin: Ein Vermieter kündigte, weil sein Onkel einziehen sollte - den er seit 15 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Der Mieter klagte. Das Gericht gab ihm recht. Der Onkel war kein legitimer Bedarfsträger. Die Rechtsprechung prüft heute, ob die Beziehung echt ist - nicht nur, ob sie auf dem Papier steht.

Was muss in der Kündigung stehen?

Eine Eigenbedarfskündigung ist kein Brief mit „Ich brauche die Wohnung“. Sie muss schriftlich, genau und vollständig sein. Die wichtigsten Elemente:

  • Die Person, die einziehen soll (voller Name)
  • Das Verwandtschaftsverhältnis (z. B. „meine Tochter“ oder „meine Mutter“)
  • Der konkrete Grund für den Bedarf (z. B. „meine Tochter zieht nach dem Abitur aus dem Studentenwohnheim aus“)
  • Der geplante Einzugstermin (nicht „irgendwann“, sondern ein konkretes Datum)
  • Die gesetzliche Grundlage: §573 Abs. 2 Nr. 2 BGB

Unvollständige Angaben sind die häufigste Ursache für fehlgeschlagene Kündigungen. Ein Vermieter aus Stuttgart schrieb nur: „Ich benötige die Wohnung für meine Familie.“ Das reichte nicht. Das Gericht sagte: „Welche Familie? Wer genau? Warum?“ - und hob die Kündigung auf. Du musst nachweisen, dass es nicht nur eine Idee ist, sondern eine konkrete Absicht. Keine vagen Worte. Keine „wenn es passt“. Nur klare Fakten.

Waage mit Rechtsdokumenten und Familienfotos gegen verschlossene Wohnungstür, symbolisiert rechtliche Abwägung.

Welche Nachweise brauchst du?

Ein Brief allein reicht nicht. Du musst beweisen, dass der Bedarf echt ist. Dafür brauchst du Dokumente. Je nach Fall:

  • Für Kinder: Schulzeugnis, Mietvertrag der aktuellen Unterkunft mit Ablaufdatum, Schreibweise der Eltern zur Zustimmung
  • Für Eltern: Arztbrief, Pflegebedarfsbescheinigung, aktuelle Wohnadresse, Nachweis der Abmeldung von der alten Wohnung
  • Für Haushaltshilfen: Arbeitsvertrag, Nachweis der bisherigen Unterkunft, schriftliche Zustimmung zur Umzug

Ein Vermieter aus München kündigte, weil seine Tochter einziehen sollte. Er legte das Schulzeugnis vor, den Auslauf des Studentenwohnheimvertrags und eine unterschriebene Erklärung der Tochter, dass sie in die Wohnung ziehen will. Die Kündigung war gültig. Ein anderer Vermieter aus Leipzig sagte nur: „Sie zieht bald ein.“ Keine Unterlagen. Kein Datum. Das Gericht sagte: „Das ist keine Absicht, das ist eine Hoffnung.“ Die Kündigung war unwirksam.

Wie lange ist die Kündigungsfrist?

Die Kündigungsfrist hängt von der Mietdauer ab. Das ist wichtig - viele Vermieter denken, sie können nach drei Monaten kündigen. Das stimmt nicht. Laut §573c BGB gilt:

  • Mietdauer bis 5 Jahre: 3 Monate
  • Mietdauer von 5 bis 8 Jahren: 6 Monate
  • Mietdauer über 8 Jahre: 9 Monate
  • Mietdauer über 10 Jahre: 12 Monate

Das ist die gesetzliche Mindestfrist. Du kannst länger kündigen - aber nicht kürzer. Wer früher kündigt, riskiert, dass die Kündigung nichtig ist. Besonders kritisch ist die 12-Monats-Frist bei langjährigen Mietern. Wer 15 Jahre in einer Wohnung lebt, hat einen starken Schutz. Das Gericht prüft dann besonders genau, ob der Eigenbedarf wirklich überwiegt - oder ob der Vermieter einfach einen Mieter loswerden will, um die Wohnung teurer zu vermieten.

Warum scheitern so viele Eigenbedarfskündigungen?

Laut dem Deutschen Mieterbund landen 30 bis 40 Prozent aller Eigenbedarfskündigungen vor Gericht. Und in 65 Prozent dieser Fälle entscheiden Richter zugunsten der Mieter. Warum? Weil Vermieter die Regeln nicht kennen. Sie glauben, dass „ich bin der Eigentümer“ ausreicht. Das ist falsch. Die Rechtsprechung hat sich verändert. Die Gerichte fragen nicht mehr: „Hat der Vermieter ein Recht?“ Sondern: „Ist der Bedarf echt? Ist die Wohnung geeignet? Ist der Mieter geschützt?“

Ein typischer Fehler: Der Vermieter kündigt, weil er „seine Mutter“ braucht - aber die Wohnung ist zu klein, zu weit von der Klinik entfernt, oder hat keine Aufzugsmöglichkeit. Das ist kein Bedarf - das ist ein unpassender Wohnraum. Das Bundesgericht hat 2022 klargestellt: Der Eigenbedarf muss auch bedarfsgerecht sein. Du kannst nicht einfach sagen: „Ich brauche eine 100 Quadratmeter Wohnung für meine Mutter.“ Wenn sie nur ein Schlafzimmer braucht, ist das eine unangemessene Kündigung.

Junge Frau packt Umzugskartons in einer Wohnung, während ihre Großmutter im Rollstuhl einen Arztbrief hält.

Was ist der aktuelle Trend?

Die Zahl der Eigenbedarfskündigungen steigt - besonders in Großstädten. In Berlin, München und Hamburg stieg die Zahl zwischen 2018 und 2023 um 37 Prozent. Warum? Weil Immobilienpreise steigen und Vermieter lieber selbst einziehen, als zu vermieten. Aber gleichzeitig sinkt die Erfolgsquote. Die Anzahl der erfolgreich durchgesetzten Eigenbedarfskündigungen ist in den letzten fünf Jahren um 22 Prozent gesunken. Die Gerichte prüfen strenger. Die Bundesregierung überlegt, die Sperrfrist von drei auf fünf Jahre zu verlängern. Das könnte die Eigenbedarfskündigung weiter einschränken. Experten wie Prof. Dr. Christiane Wendehorst von der Universität Bielefeld prognostizieren: „Die Eigenbedarfskündigung in ihrer jetzigen Form wird nicht mehr lange Bestand haben.“

Was tun, wenn du als Vermieter kündigen willst?

Wenn du denkst, du hast einen gültigen Eigenbedarf:

  1. Prüfe, ob du eine natürliche Person bist.
  2. Prüfe, ob die Wohnung seit mindestens drei Jahren vermietet ist.
  3. Prüfe, ob die Person, die einziehen soll, ein legitimer Bedarfsträger ist.
  4. Sammle alle Unterlagen: Zeugnisse, Verträge, Briefe, Arztzeugnisse.
  5. Schreibe die Kündigung präzise - kein „vielleicht“, kein „wahrscheinlich“.
  6. Halte die gesetzliche Kündigungsfrist ein.
  7. Hole dir professionelle Rechtsberatung - 65 % der Vermieter tun das, weil sie die Risiken kennen.

Ein Gespräch mit dem Mieter vor der Kündigung kann auch helfen. Viele Mieter akzeptieren eine Kündigung, wenn sie sehen, dass sie echt ist. Aber du musst es nachweisen - nicht nur behaupten.

Was tun, wenn du als Mieter eine Kündigung bekommst?

Wenn du eine Eigenbedarfskündigung erhältst:

  • Prüfe, ob alle formalen Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Prüfe, ob die Bedarfsperson echt ist - Google sie, frag nach, ob sie jemals in der Wohnung war.
  • Prüfe, ob die Wohnung wirklich benötigt wird - ist sie zu groß, zu klein, zu weit weg?
  • Prüfe die Frist - ist sie zu kurz?
  • Kontaktiere den Mieterverein oder einen Anwalt für Mietrecht.

Ein Mieter aus Ravensburg bekam eine Kündigung, weil sein Vermieter „seine Schwester“ einziehen lassen wollte. Die Schwester lebte in Düsseldorf. Der Mieter recherchierte: Sie war seit 10 Jahren nicht mehr in Ravensburg gewesen. Er legte das vor - und gewann den Prozess. Die Kündigung war unwirksam.

Darf ich als Vermieter eine Eigenbedarfskündigung aussprechen, wenn ich die Wohnung vorher selbst bewohnt habe?

Ja, aber nur, wenn du die Wohnung nach dem Mietvertragsabschluss wieder für dich benötigst. Wenn du die Wohnung vor der Vermietung selbst bewohnt hast und danach vermietest, darfst du sie erst nach Ablauf der Sperrfrist von drei Jahren wieder für dich nutzen - und nur, wenn der Eigenbedarf erst danach entstanden ist. Der Zeitpunkt des Bedarfs ist entscheidend - nicht der Zeitpunkt der früheren Nutzung.

Kann ich einen Eigenbedarf anmelden, wenn ich die Wohnung an meinen Sohn vermiete und er später auszieht?

Ja, aber nur, wenn der Sohn tatsächlich auszieht und du die Wohnung dann für dich oder einen anderen legitimen Bedarfsträger brauchst. Wenn du die Wohnung nur deshalb an deinen Sohn vermietest, weil du später wieder einziehen willst, ist das eine Scheinkündigung. Die Rechtsprechung prüft genau, ob der Mietvertrag mit dem Sohn echt war - oder nur als „Tarnung“ diente.

Was passiert, wenn ich die Wohnung nach der Kündigung doch nicht für den angegebenen Grund nutze?

Wenn du nach der Kündigung die Wohnung nicht für die angegebene Person nutzt, kann der ehemalige Mieter Schadensersatz verlangen. Die Rechtsprechung sieht das als Missbrauch an. Du musst den Einzug innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Kündigungsfrist nachweisen. Wenn du die Wohnung dann an jemand anderen vermietest, riskierst du eine Klage wegen „Scheinkündigung“.

Gibt es Ausnahmen für Mieter mit langer Mietdauer oder gesundheitlichen Problemen?

Ja. Wenn ein Mieter mehr als zehn Jahre in der Wohnung lebt, oder schwerwiegende gesundheitliche Probleme hat, die ein Umzug erschweren, kann das Gericht die Kündigung ablehnen. Der Schutz des Mieters wird dann stärker gewichtet. Das gilt besonders, wenn der Vermieter keine dringende Notwendigkeit nachweisen kann.

Kann ich als Vermieter einen Eigenbedarf anmelden, wenn ich die Wohnung verkaufe?

Nein. Der Eigenbedarf muss sich auf deine eigene Nutzung beziehen - nicht auf die eines potenziellen Käufers. Wenn du die Wohnung verkaufen willst, musst du sie mit Mieter verkaufen. Der neue Eigentümer kann erst nach Ablauf der Sperrfrist von drei Jahren eine neue Eigenbedarfskündigung aussprechen - wenn er selbst einziehen will.

Was kommt als Nächstes?

Die Debatte um die Eigenbedarfskündigung wird weitergehen. Die Bundesregierung prüft, die Sperrfrist von drei auf fünf Jahre zu verlängern. Das würde viele Vermieter abschrecken - besonders in Städten, wo Immobilienpreise steigen. Die Immobilienwirtschaft warnt: Wenn Vermieter nicht mehr sicher sein können, ihre Wohnung zurückzubekommen, werden sie weniger vermieten. Das könnte die Wohnungsnot verschärfen. Andererseits: Wenn Mieter ständig mit Kündigungen rechnen müssen, verlieren sie ihre Lebensplanung. Die Balance ist dünn. Bislang gilt: Wer kündigen will, muss beweisen - nicht behaupten. Und das wird immer schwerer.