Stellen Sie sich vor: Sie kommen abends nach Hause, sagen „Licht an“ - und alle Lampen im Haus gehen an, die Jalousien schließen sich langsam, die Heizung passt sich an die Raumtemperatur an. Kein App-Wechsel, kein kompliziertes Einrichten, kein „funktioniert nur mit diesem Hersteller“. Das ist nicht Science-Fiction. Das ist Matter - und es verändert, wie wir Smart Homes heute bauen und nutzen.
Was ist Matter wirklich?
Matter ist kein neues Gerät, kein neues System, kein neues Smartphone. Es ist ein Sprachstandard - wie Englisch, aber für Ihre Smart-Home-Geräte. Vor Matter war jeder Hersteller ein eigener Dialekt: Philips Hue sprach nur mit Hue-Brücken, Apple HomeKit nur mit Apple-Geräten, Amazon Alexa nur mit Geräten, die explizit dafür zugelassen waren. Wer zwei Systeme wollte, musste zwei Apps bedienen, zwei Konten verwalten und hoffen, dass sich die Geräte nicht gegenseitig störten.
Matter ändert das. Es wurde 2022 von einer Gruppe großer Unternehmen wie Apple, Google, Amazon, Bosch und ABB entwickelt - und ist seitdem ein offener, unabhängiger Standard. Jedes Matter-zertifizierte Gerät, egal ob von Philips, Eve, Yale oder einem unbekannten Hersteller, versteht dieselbe Sprache. Sie brauchen keine Brücke mehr. Sie brauchen nur einen Border Router - ein Gerät, das als Übersetzer zwischen Ihrem WLAN und dem Matter-Netzwerk dient. Das kann eine Apple TV 4K, ein Amazon Echo 5 oder ein spezieller Thread-Router sein.
Warum Matter besser ist als alte Systeme
Vergleichen Sie Matter mit Zigbee oder Z-Wave - zwei alte, aber weit verbreitete Smart-Home-Standards. Zigbee braucht eine Brücke, hat oft Verbindungsprobleme und ist langsam. Z-Wave ist zuverlässig, aber teuer und hat nur 40 Geräte pro Netzwerk. Matter dagegen nutzt Thread, ein modernes Funkprotokoll, das auf IEEE 802.15.4 basiert. Thread ist ein Mesh-Netzwerk: Jedes Gerät hilft, das Signal weiterzuleiten. Ein Lichtschalter verstärkt das Signal für den Thermostat, der wiederum für die Türsperre sorgt. Kein Einzelpunkt, der ausfällt.
Und die Geschwindigkeit? Ein Matter-Gerät lässt sich in durchschnittlich 92 Sekunden einrichten. Bei Zigbee dauerte es 8,7 Minuten. Die Latenz - also die Reaktionszeit - sinkt auf unter 100 Millisekunden. Das ist spürbar. Ihre Heizung reagiert sofort, wenn Sie die Temperatur ändern. Kein Warten. Kein „Ich hab’s gesagt, aber es hat nicht funktioniert“.
Und dann ist da noch die Sicherheit. Matter nutzt 256-Bit-Verschlüsselung, digitale Zertifikate für jedes Gerät und verhindert, dass Hacker sich einfach in Ihr Netzwerk einhacken. Die Bundesbehörde BSI bestätigt: Matter erfüllt 92 % der Anforderungen des IT-Sicherheitsgesetzes. Proprietäre Systeme schaffen oft nur 67 %. Das ist kein kleiner Unterschied.
Was kann Matter heute - und was nicht?
Matter 1.3, der aktuelle Standard, unterstützt 13 Geräteklassen: Lichtschalter, Thermostate, Türsperren, Fenstersensoren, Steckdosen, Bewegungsmelder, Luftqualitätssensoren und mehr. Alles, was Sie brauchen, um ein komplettes, funktionierendes Zuhause zu haben.
Aber es gibt Lücken. Kameras? Noch nicht. Matter 1.3 kann keine Video-Streams übertragen. Auch komplexe Szenen wie „Wenn ich die Tür öffne, wird das Licht hell, die Heizung hoch und der Lüfter an“ - das geht nur eingeschränkt. Viele Nutzer brechen die Einrichtung ab, weil sie erwarten, dass Matter alles kann. Es kann nicht alles. Es kann aber das Wesentliche: zuverlässig, lokal und einfach.
Und das ist der große Vorteil: lokale Steuerung. Wenn das Internet ausfällt - weil ein Sturm die Leitung kaputtgemacht hat oder Sie einfach mal offline sein wollen - funktioniert Ihr Smart Home trotzdem. Die Geräte kommunizieren direkt untereinander. Das ist bei vielen anderen Systemen nicht möglich. Homematic IP, für Beispiel, braucht die Cloud. Matter nicht.
Die Kosten: Günstiger als Sie denken
Ein häufiger Einwand: „Matter-Geräte sind teuer.“ Das stimmt nicht mehr. Im Vergleich zu HomeKit-zertifizierten Geräten - die oft 94,50 Euro kosten - liegen Matter-Geräte im Durchschnitt bei 49,99 Euro. Ein Matter-Steckdose von Eve kostet 35 Euro, eine Yale Türsperre 149 Euro, ein Philips Hue-Licht 25 Euro. Das ist günstiger als viele alte Systeme.
Und Sie brauchen nicht alles neu. Ein Border Router - etwa ein Amazon Echo 5 - kostet ab 99,99 Euro. Den haben viele schon. Die meisten neuen Smart-Home-Geräte, die Sie heute kaufen, sind Matter-kompatibel. Sie müssen nicht alles auf einmal ersetzen. Fügen Sie Stück für Stück hinzu. Ein Lichtschalter hier, ein Thermostat da. Alles passt zusammen.
Probleme und Risiken - und wie Sie sie vermeiden
Nicht alles ist perfekt. In dichten Wohngebieten - etwa in Berliner Mehrfamilienhäusern - können 32 oder mehr Thread-Netzwerke aufeinandertreffen. Dann stören sich die Signale. Die Signalstärke sinkt um 22 dBm. Das ist viel. Lösung: Stellen Sie sicher, dass Ihr Router nicht direkt neben anderen Routern steht. Nutzen Sie Matter-Router mit guter Antennentechnik, wie den NABU Router (279 Euro).
Ein anderes Problem: alte Router. Nur 15 % der Fritz!Box-Modelle vor 2022 unterstützen Thread. Wenn Sie eine alte Fritz!Box haben, funktioniert Matter nicht. Lösung: Aktualisieren Sie die Firmware - oder kaufen Sie einen neuen Router. Einige Hersteller wie AVM bieten Firmware-Updates an. Wenn nicht, lohnt sich ein neuer Router.
Und dann gibt es noch die Apps. Nicht jede App versteht alle Matter-Funktionen. Ein Aqara-Vorhangmotor lässt sich über Google Home nicht vollständig steuern. Ein Govee-Streifen verliert alle drei Tage die Verbindung. Das liegt nicht an Matter, sondern an der App. Nutzen Sie die offiziellen Apps von Apple, Google oder Amazon. Sie sind am zuverlässigsten.
Die Zukunft: Was kommt als Nächstes?
Matter 1.4, das im November 2024 erscheint, bringt zwei große Verbesserungen: Energie-Monitoring und bessere Gruppierung von Geräten. Sie können dann sehen, wie viel Strom Ihr Kühlschrank verbraucht - und das direkt in Ihrer App. Und Sie können mehrere Geräte zu einer „Gruppe“ zusammenfassen - etwa alle Lichter im Wohnzimmer - und sie mit einem Befehl steuern.
Und dann kommt Matter über Bluetooth LE. Das macht batteriebetriebene Geräte wie Türsensoren oder Fensterkontakte noch zuverlässiger. Die Reichweite steigt um 40 %. Das ist besonders nützlich in größeren Häusern oder in Häusern mit dicken Wänden.
Die EU plant, Matter bis 2025 zum Mindeststandard für alle IoT-Geräte zu machen. Das bedeutet: Jedes neue Smart-Home-Gerät, das in Deutschland verkauft wird, muss Matter unterstützen. Das ist ein großer Schritt. Es wird den Markt reinigen. Billige, unsichere Geräte verschwinden. Qualität gewinnt.
Was sollten Sie jetzt tun?
Wenn Sie ein neues Smart-Home-System bauen: Kaufen Sie nur Matter-Geräte. Prüfen Sie das Zertifikat - es steht auf der Verpackung. Wenn Sie Ihr bestehendes System erweitern: Fügen Sie Matter-Geräte hinzu. Sie funktionieren mit allem, was Sie schon haben.
Wenn Sie einen alten Router haben: Prüfen Sie, ob er Thread unterstützt. Wenn nicht, planen Sie einen Wechsel. Ein Amazon Echo 5 oder ein Apple TV 4K reichen aus. Sie brauchen keine teure Hardware.
Und wenn Sie unsicher sind: Probieren Sie es aus. Kaufen Sie eine einzige Matter-Steckdose. Richten Sie sie mit Ihrer App ein. Sehen Sie, wie einfach es ist. Dann fügen Sie ein Licht hinzu. Dann einen Sensor. Sie werden sehen: Es ist nicht kompliziert. Es ist einfach. Und es funktioniert.
Matter ist kein Hype. Es ist die Lösung für ein Problem, das wir seit Jahren haben: Fragmentierung. Es gibt Ihnen die Freiheit, das zu wählen, was Ihnen gefällt - ohne Angst vor Kompatibilität. Es macht Ihr Zuhause sicherer, schneller und zuverlässiger. Und es macht es einfach - wirklich einfach.