Vorkaufsrecht bei Immobilien aktivieren: Schritt-für-Schritt-Anleitung

Was ist ein Vorkaufsrecht und warum ist es wichtig?

Ein Vorkaufsrecht gibt jemandem das Recht, eine Immobilie zu kaufen, bevor der Eigentümer sie an einen anderen verkaufen darf. Es ist kein freiwilliger Bonus - es ist ein rechtlich bindendes Instrument, das in Deutschland klar geregelt ist. Wer es hat, kann den Verkauf stoppen und selbst zukaufen, wenn der Eigentümer einen Käufer gefunden hat. Das gilt für Mieter, Nachbarn oder sogar die Kommune. In Städten wie München, Berlin oder Frankfurt, wo Wohnraum knapp und teuer ist, wird dieses Recht immer häufiger genutzt. Laut dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte wurden 2022 in den 15 größten deutschen Städten über 3.800 Vorkaufsrechte ausgeübt - das sind fast 2,5 % aller Immobilienverkäufe.

Welche Arten von Vorkaufsrechten gibt es?

Nicht jedes Vorkaufsrecht ist gleich. Es gibt drei Haupttypen, und jeder hat andere Regeln.

  • Dingliches Vorkaufsrecht: Steht im Grundbuch, Abteilung II. Es bleibt auch dann bestehen, wenn das Grundstück schon an einen anderen verkauft wurde. Nur wer es im Grundbuch eingetragen hat, kann es durchsetzen - zum Beispiel ein Nachbar, der vor Jahren ein solches Recht erhalten hat.
  • Schuldrechtliches Vorkaufsrecht: Entsteht durch einen Vertrag, zum Beispiel zwischen Eltern und Kindern oder bei einem Teilverkauf. Es ist nicht im Grundbuch eingetragen und gilt nur zwischen den Vertragspartnern. Wenn der Eigentümer den Käufer wechselt, ohne den Berechtigten zu informieren, kann der Berechtigte zwar Schadensersatz verlangen, aber nicht mehr kaufen.
  • Gesetzliches Vorkaufsrecht: Das wichtigste für Mieter. Seit 1980 gibt es § 577a BGB: Wenn ein Vermieter eine Mietwohnung in Eigentumswohnung umwandelt und sie dann erstmals verkauft, hat der Mieter das Recht, sie zu kaufen. Das gilt nur beim ersten Verkauf nach der Umwandlung. Kein Recht, wenn der Vermieter an einen Familienangehörigen verkauft oder das ganze Haus verkauft.

Ein Beispiel: In München kauft eine Wohnungsgesellschaft ein Mehrfamilienhaus. Sie wandelt alle Wohnungen in Eigentum um. Sobald die erste Wohnung verkauft wird, hat der aktuelle Mieter zwei Monate Zeit, zu kaufen. Wenn er nicht zuschlägt, darf die Gesellschaft an Dritte verkaufen - aber nur dann.

Wie wird ein Vorkaufsrecht aktiviert? - Die 6 Schritte

Ein Vorkaufsrecht nutzt nichts, wenn du es nicht richtig aktivierst. Viele Mieter verlieren es, weil sie die Frist verpassen oder die Erklärung falsch abgeben. Hier ist der korrekte Ablauf:

  1. Warten auf den Kaufvertrag: Der Eigentümer muss einen notariell beglaubigten Kaufvertrag mit einem Dritten abgeschlossen haben. Erst dann beginnt die Frist. Ein Angebot oder eine mündliche Zusage reicht nicht.
  2. Erhalt der Mitteilung: Der Eigentümer ist verpflichtet, dich schriftlich über den Kaufvertrag zu informieren. Die Mitteilung muss den Kaufpreis, die Zahlungsbedingungen und die Person des Käufers enthalten. Sie muss nicht per Einschreiben kommen - aber sie muss schriftlich sein. E-Mail reicht nur, wenn du vorher zugestimmt hast, digital kommuniziert zu werden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.06.2023).
  3. Frist beachten: Bei Grundstücken hast du zwei Monate, bei Wohnungen oder anderen Gebäuden eine Woche. Bei Mieter-Vorkaufsrechten nach § 577a BGB gilt immer die zwei-Monats-Frist, egal ob es ein Haus oder eine Wohnung ist. Die Frist beginnt erst, wenn du die Mitteilung erhalten hast - nicht, wenn sie verschickt wurde.
  4. Erklärung abgeben: Du musst dem Eigentümer schriftlich mitteilen, dass du dein Vorkaufsrecht ausübst. Die Erklärung ist formfrei - du kannst sie per E-Mail, Brief oder Fax schicken. Aber: Nur ein Einschreiben mit Rückschein beweist später vor Gericht, dass du rechtzeitig gehandelt hast. Viele Fälle scheitern nur an fehlender Beweissicherung.
  5. Kaufvertrag übernehmen: Sobald du dein Recht ausgeübt hast, trittst du an die Stelle des ursprünglichen Käufers. Du kaufst unter genau denselben Bedingungen: gleicher Preis, gleiche Zahlungsmodalitäten, gleiche Vereinbarungen. Du kannst nicht verhandeln oder günstiger kaufen.
  6. Notarielle Beurkundung: Innerhalb von zwei Wochen nach deiner Erklärung musst du den Kaufvertrag notariell beurkunden lassen. Wenn du das nicht tust, verlierst du das Recht - selbst wenn du alles andere richtig gemacht hast.

Was passiert, wenn du es falsch machst?

Ein Fehler reicht, um dein Recht zu verlieren. Die häufigsten Fehler:

  • Kein Einschreiben: Ein Mieter aus Berlin schickte per E-Mail: „Ich möchte die Wohnung kaufen.“ Der Vermieter ignorierte es. Später stellte sich heraus: Die E-Mail war nicht zugestellt worden. Der Mieter verlor sein Recht.
  • Frist verpasst: Ein Mieter in München erhielt die Mitteilung am 5. April. Er dachte, er hätte bis Ende Mai Zeit. Die Frist endete aber am 5. Juni. Er verpasste sie um drei Tage. Kein Gericht half ihm.
  • Erklärung an die falsche Person: Du musst sie an den Verkäufer richten, nicht an den Käufer oder den Notar. Ein Mieter in Hamburg schickte seine Erklärung an den neuen Käufer - der lehnte sie ab. Das Recht war verloren.
  • Keine Beurkundung: Ein Paar in Köln übte das Recht aus, aber vergaß die notarielle Beurkundung. Sie bekamen die Wohnung nicht - und mussten den Kaufpreis an den ursprünglichen Käufer zahlen.

Der Deutsche Mieterbund berichtet: 62 % der Mieter, die ihr Vorkaufsrecht geltend machen wollten, scheiterten an formalen Fehlern. Es ist kein Recht für Amateure. Du brauchst Präzision, nicht Glück.

Drei Arten von Vorkaufsrechten als transparente Überlagerungen über einer deutschen Stadt.

Was ändert sich bald? - Aktuelle Entwicklungen

Die Gesetze bewegen sich. Die Bundesregierung will das Mieter-Vorkaufsrecht stärken. Im Koalitionsvertrag 2021-2025 steht: „Vorkaufsrechte sollen einfacher und schneller nutzbar werden.“

  • Die Bundesnotarkammer testet seit Januar 2023 ein digitales System in Nordrhein-Westfalen. Du kannst künftig dein Vorkaufsrecht online anmelden - ohne Brief, ohne Einschreiben.
  • Der Deutsche Mieterbund fordert, die Frist von zwei auf drei Monate zu verlängern. Viele Mieter brauchen Zeit, um einen Kredit zu bekommen. Zwei Monate sind oft zu knapp.
  • Ein Urteil vom Juni 2023 klärte: E-Mail reicht als Mitteilung - aber nur, wenn du vorher zugestimmt hast. Das bedeutet: Du solltest im Mietvertrag prüfen, ob du digitale Kommunikation akzeptierst.

Prof. Dr. Anja Schulz von der Universität zu Köln sagt: „Die Digitalisierung wird das Vorkaufsrecht demokratisieren - aber nur, wenn Mieter wissen, wie sie es nutzen.“

Was tun, wenn du unsicher bist?

Wenn du den Kaufvertrag erhalten hast und nicht weißt, ob du ein Vorkaufsrecht hast oder wie du es richtig ausübst: Hole dir professionelle Hilfe.

  • Frage deinen Mieterverein. In München gibt es kostenlose Beratung für Mieter.
  • Suche einen Immobilienrechtler. Ein Anwalt kostet etwa 150-300 Euro für eine Erstberatung - aber er verhindert, dass du tausende Euro verlierst.
  • Prüfe dein Grundbuch. Gehe zum Grundbuchamt und lass dich über die Abteilung II informieren. Dort steht, ob ein dingliches Vorkaufsrecht eingetragen ist.

Ein Mieter aus München hat es 2023 geschafft: Er erhielt den Kaufvertrag am 12. März. Am 14. März schickte er ein Einschreiben mit Rückschein: „Ich übe mein Vorkaufsrecht aus.“ Am 28. März war der Kaufvertrag notariell beurkundet. Die Wohnung kostete 320.000 Euro - er zahlte denselben Preis. Heute wohnt er dort - und hat sie endlich in seinem Namen.

Wann gilt das Vorkaufsrecht nicht?

Nicht jede Verkaufssituation öffnet das Vorkaufsrecht. Es entfällt bei:

  • Verkauf an Ehegatten, Lebenspartner oder direkte Familienangehörige (Eltern, Kinder, Enkel)
  • Verkauf des gesamten Mehrfamilienhauses (nicht einzelner Wohnungen)
  • Verkauf an die Kommune - hier greift ein anderes Recht, das kommunale Vorkaufsrecht nach § 28 BauGB
  • Wenn die Wohnung nie als Mietwohnung genutzt wurde - also wenn sie neu gebaut wurde und direkt als Eigentumswohnung verkauft wird

Ein Beispiel: Ein Hausbesitzer in Berlin verkauft sein Haus an seine Tochter. Der Mieter hat kein Vorkaufsrecht - das Gesetz macht eine Ausnahme für Familienverkäufe. Aber: Wenn die Tochter das Haus später an einen Fremden verkauft, dann gilt das Vorkaufsrecht wieder - weil es der erste Verkauf nach der Umwandlung ist.

Uhr mit zwei Monaten läuft ab, Mieter geht durch Flur, eine Tür leuchtet mit goldenem Schlüssel.

Was passiert mit dem Mietvertrag?

Wenn du als Mieter die Wohnung kaufst, endet dein Mietvertrag - du wirst Eigentümer. Du zahlst nicht mehr Miete, sondern die Hypothek. Der Mietvertrag wird durch den Kaufvertrag ersetzt. Du behältst aber alle Rechte, die du als Mieter hattest - zum Beispiel den Schutz vor Kündigung. Du musst den Kaufvertrag nicht neu aufsetzen. Du übernimmst ihn einfach.

Wie viel kostet es, ein Vorkaufsrecht auszuüben?

Die Kosten sind nicht hoch - aber sie sind da:

  • Notarkosten: Ca. 1,5 % des Kaufpreises (z.B. 4.800 € bei 320.000 €)
  • Grunderwerbsteuer: 3,5 % bis 6,5 % je nach Bundesland (in Bayern 3,5 %, in Berlin 6,5 %)
  • Anwaltskosten: 150-500 € für Beratung und Erklärung
  • Einschreiben: 5-10 €

Das ist viel weniger als ein Makler, der 3-6 % Provision nimmt. Und du sparst dir den Stress, dich um eine neue Wohnung zu kümmern.

Frequently Asked Questions

Kann ich mein Vorkaufsrecht auch ausüben, wenn der Vermieter die Wohnung an eine Firma verkauft?

Ja, du kannst dein Vorkaufsrecht ausüben, egal ob der Käufer eine Privatperson, eine Firma oder eine Immobiliengesellschaft ist. Das Gesetz schützt dich vor jedem Dritten - auch vor großen Unternehmen. Wichtig ist nur, dass der Kaufvertrag notariell beglaubigt ist und du ihn rechtzeitig bekommst.

Was passiert, wenn der Vermieter den Kaufvertrag nicht mitteilt?

Der Vermieter ist gesetzlich verpflichtet, dich zu informieren. Wenn er das nicht tut, kannst du den Verkauf anfechten - aber nur, wenn du innerhalb von sechs Monaten nach dem Kauf den Kaufvertrag herausfindest. Dann kannst du beim Gericht beantragen, dass der Verkauf an den Dritten für nichtig erklärt wird. Aber: Du musst beweisen, dass du nichts erfahren hast. Deshalb: Bleib wachsam. Frag regelmäßig nach, ob ein Verkauf geplant ist.

Habe ich als Mieter ein Vorkaufsrecht, wenn ich in einer Eigentumswohnung wohne?

Nein. Das gesetzliche Mieter-Vorkaufsrecht gilt nur, wenn die Wohnung vorher als Mietwohnung bewohnt wurde und jetzt zum ersten Mal in Eigentum umgewandelt wird. Wenn du bereits Eigentümer bist - etwa durch Erbschaft oder Kauf - und die Wohnung jetzt weiterverkaufst, hast du kein Vorkaufsrecht. Das Recht schützt Mieter, nicht Eigentümer.

Kann ich mein Vorkaufsrecht verkaufen oder vererben?

Nein. Ein Vorkaufsrecht ist immer persönlich und kann nicht übertragen werden. Wenn du stirbst, geht es nicht an deine Kinder. Wenn du ausziehst, verliert es seine Gültigkeit - es hängt an deiner aktuellen Mietbeziehung. Du kannst es nur selbst ausüben - und nur, solange du Mieter bist.

Wie lange gilt ein dingliches Vorkaufsrecht?

Ein dingliches Vorkaufsrecht bleibt bestehen, solange es im Grundbuch steht - oft für Jahrzehnte. Es kann nur gelöscht werden, wenn alle Beteiligten zustimmen - oder wenn ein Gericht es aufhebt. Es ist ein dauerhaftes Recht, das auch dann gilt, wenn das Grundstück mehrfach verkauft wird. Das ist der große Vorteil gegenüber dem schuldrechtlichen Recht.

Was ist der nächste Schritt?

Wenn du den Kaufvertrag erhalten hast: Handele sofort. Schicke ein Einschreiben mit Rückschein - nicht später als am Tag, an dem die Frist endet. Prüfe, ob du ein Vorkaufsrecht hast - schau in dein Grundbuch oder frage deinen Mieterverein. Und: Sprich mit einem Anwalt, bevor du etwas unterschreibst. Das Vorkaufsrecht ist dein größter Hebel, um in deiner Wohnung zu bleiben - aber nur, wenn du es richtig nutzt.